Menschenhandel bezeichnet nach der international gültigen Definition (UNO Palermo Protokoll 2000, Art. 3; Europaratskonvention gegen Menschenhandel, Art 4) den Handel von Personen durch die Anwendung unerlaubter Mittel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung der Arbeitskraft oder zur Entnahme von Körperorganen. Die Schweiz hat diese Definition in die nationale Gesetzgebung übernommen (Strafgesetzbuch Art. 182).

Was ist Menschenhandel?

Menschenhandel

Wie erkennst du ein Opfer?

Folgende Merkmale können ein Indiz für Menschenhandel sein:

Die Person:

  • ist mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt worden
  • arbeitet unter ausbeuterischen Bedingungen (übermässige Arbeitsstunden, kaum oder keine Freizeit, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, keine Pausen, etc.)
  • ist nicht oder nur zeitweise im Besitz ihrer persönlichen Ausweise
  • weist Spuren von Misshandlungen auf (physisch, psychisch)
  • bekommt keinen oder einen sehr geringen Lohn
  • verfügt kaum über Orts- und Sprachkenntnisse
  • ist unter Druck, beispielsweise, weil sie Schulden zurückzahlen muss
  • hat einen ungesicherten Aufenthaltsstatus und ihr wird gedroht, diesen auffliegen zu lassen
  • erfährt Drohungen gegen sich oder ihre Familie
  • kann eine Frau, ein Mann oder ein Kind sein;
Wie ist die Situation in der Schweiz?

Die Schweiz ist als Ziel- und Transitland von Menschenhandel betroffen.

Frauen, Männer und Minderjährige werden Opfer von Menschenhandel, hauptsächlich zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft.

Lass dich nicht blenden - Menschenhandel existiert auch in der Schweiz!

Die Ausbeutung findet unter anderem statt in:

  • der Prostitution
  • der Hauswirtschaft
  • der Bettelei und Kleinstkriminalität
  • der Gastronomie und im Hotelgewerbe
  • der Bauwirtschaft
  • im privaten Pflegebereich
  • der Landwirtschaft

Opferhilfestellen identifizieren und kümmern sich jedes Jahr um mehr als 250 Opfer, die ihrer Ausbeutungssituation entkommen konnten. Da Menschenhandel im Verborgenen stattfindet, bleibt die grosse Mehrheit der Betroffenen jedoch unerkannt und erhält keine entsprechende Unterstützung.

Manchmal sehen sich die Opfer nicht als solche. Ausserdem melden sie sich auch aus Angst vor Repressalien durch die Täter oder aus Misstrauen den Behörden gegenüber selten bei den dafür vorgesehenen Anlaufstellen.

Hauptsächlich aus diesen Gründen haben viele Opfer keinen Zugang zu spezialisierten Hilfeleistungen. Zudem werden erst wenige Täterinnen und Täter für ihre Machenschaften zur Rechenschaft gezogen. Die Bekämpfung von Menschenhandel in der Schweiz stellt somit weiterhin eine grosse Herausforderung dar.

Mehr Informationen finden Sie auf der Website der Fachstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel: FSMM

 

Profil der Opfer in der Schweiz

Die meisten identifizierten Opfer in der Schweiz sind Frauen im Alter von 17 bis 30 Jahren, die sexuell ausgebeutet wurden. Diese stammen mehrheitlich aus:

  • Osteuropa: Ungarn, Rumänien und Bulgarien
  • Lateinamerika: Brasilien und Dominikanische Republik
  • Asien: Thailand
  • Afrika: Nigeria.

(Source: FSMM)

Allerdings wird auch in anderen Ausbeutungsformen eine grosse Anzahl unerkannter Opfer vermutet...

Was tut die Schweiz gegen Menschenhandel?

Der Nationale Aktionsplan gegen Menschenhandel 2017-2020 definiert die Schweizer Strategie zur Bekämpfung von Menschenhandel. Die Massnahmen der Schweiz gegen Menschenhandel beruhen auf den vier Säulen Prävention, Strafverfolgung, Opferschutz und Zusammenarbeit.

Während der Bund für die Gesetzgebung gegen Menschenhandel zuständig ist, fallen die Strafverfolgung gegen die Täter und der Schutz der Opfer im Einzelfall grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone. Der Kooperationsmechanismus auf kantonaler Ebene, kantonaler runder Tisch genannt, existiert derzeit in 18 Kantonen.

Die runden Tische koordinieren insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachstellen, wenn ein Opfer identifiziert wird.

Mehr Information

Organisationen, Fachstellen und Behörden

Schweiz

International

  • Internationale Organisation für Migration IOM (Global: Counter trafficking)
  • IOM X, Kampagne der IOM zur Förderung der sicheren Migration und zur Bekämpfung von Menschenhandel.
Was sind Loverboys?

«Loverboys» sind Menschenhändler und Zuhälter (manchmal selbst noch Teenager), welche minderjährigen Mädchen und Jungen vor der Ausbeutung erst die grosse Liebe vorgaukeln. Meist läuft dies über Chatrooms in sozialen Medien. Der Loverboy macht sie systematisch von sich abhängig und sondert sie zunehmend von Freunden und Familie ab. Ist diese Abhängigkeit erst einmal erreicht, kann der Loverboy fast alles von den Betroffenen verlangen: z. B. Prostitution, Pornographie und kriminelle Delikte (Diebstahl, Einbruch etc.). Das Ziel des Loverboys ist, möglichst viel Geld zu verdienen. Das Alter der Betroffenen liegt zwischen 12–18 Jahren. Minderjährige sind auch in der Schweiz betroffen, darunter ebenfalls Jungen, die in homosexuellen Kreisen ausgebeutet werden. 

Verdachtsfälle können bei ACT 212 (0840 212 212) gemeldet werden.

Informationsmaterial
SAFE APP

Bewusstsein und Wissen gehören zu den besten Instrumenten, um Menschenhandel zu bekämpfen. Mit dieser Idee wurde die mobile Applikation «SAFE Travel & Work Abroad» entwicklet.

Die App lädt den Nutzer / die Nutzerin dazu ein, sich in die Lage von einem von vier jungen Menschen zu versetzen, welche die Welt entdecken wollen. Ziel dabei ist es, den Menschenhändlern zu entkommen, indem Verantwortung übernommen und Entscheidungen für unsere vier Helden getroffen werden.

Neben einem kleinen Spiel bietet die App wichtige Informationen über Menschenhandel, sicheres Reisen, Tipps für die Arbeit im Ausland sowie nützliche Kontakte für den Notfall. Egal, ob du ins Ausland reist für Ferien oder für die Arbeit, hier kannst du nützliche Informationen finden.

Die App wurde als neues Instrument zur Prävention von Menschenhandel entwickelt und ist hauptsächlich für Bildungszwecke gedacht.

Die App wurde im Rahmen des Projekts SAFE (smart, aware, free, enjoy - information campaign against human trafficking) entwickelt und ist in sieben Sprachen verfügbar: Slowakisch, Tschechisch, Polnisch, Ungarisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Das Projekt wurde von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Slovakei, in Zusammenarbeit mit La Strada in der Tschechischen Republik und Polen sowie der NGO Hungarian Baptist Aid durchgeführt und wird vom Internationalen Visegrad-Fonds und der niederländischen Botschaft in Bratislava finanziell unterstützt.

Die Deutsche und Französische Version wurde im Rahmen des schweizerischen Projekts «Schau hin – Aktionswochen und Informationsbus» ergänzt.

Die App kann kostenlos im AppleStore für iOS Geräte und im Play Store für Android Geräte heruntergeladen werden.

SAFE APP

 

Fallbeispiele

Histoires concrètes - Kamal

Kamal (21) aus Bangladesch sucht Arbeit im Ausland, weil er in der Heimat keine oder nur eine sehr schlecht bezahlte Arbeit findet, so dass er seine Familie nicht ernähren kann. Im Internet findet er eine Stelle als Kellner in der Schweiz. Er bezahlt der Vermittlungsagentur eine hohe Gebühr und fliegt kurz darauf in die Schweiz.

Dort erwartet ihn, entgegen der früheren Versprechungen, keine gut bezahlte Arbeit. Stattdessen arbeitet Kamal über 15 Stunden pro Tag und schläft mit 5 anderen Personen in einem Hinterzimmer des Restaurants auf dünnen Matratzen. Als Kamal sich bei seinem Chef erkundigt, wann er seinen Lohn erhalten würde, wird der aggressiv. Er droht ihm, dass er ihn noch härter arbeiten lassen wird . Kamal ist durch die hohen Kosten des Fluges und der Rekrutierungsgebühr verschuldet. Er kann daher nicht einfach davon laufen, sondern hofft immer noch, dass er seinen Lohn erhält. Kamal ist entkräftet und weiss nicht mehr, wie weiter. Seine ganzen Hoffnungen sind auf einmal wie Seifenblasen geplatzt und er fühlt sich gefangen. Ein Gast sieht seine Not und bringt ihn zur Polizei. Durch die Polizei wird Kamal zu einer kantonalen Opferhilfestelle verwiesen. Er bekommt eine sichere Unterkunft, psychische Unterstützung und Hilfe bei der Suche einer geregelten Arbeit.
 

 

Histoires concrètes - Katalin

Nach der Scheidung hat Katalin (24, aus Ungarn) schwere finanzielle Probleme. Sie kann nicht für ihre Kinder und ihre Eltern sorgen. Ein Bekannter bietet Katalin an, sie könne innerhalb kurzer Zeit viel Geld verdienen, wenn sie mit ihm in die Schweiz kommt und dort als Prostituierte arbeitet.

Schweren Herzens entscheidet sie sich, mit ihm mitzugehen. In der Schweiz muss Katalin 7 Kunden am Tag bedienen und bekommt kaum Lohn für ihre Arbeit. Sie ist immer unter Beobachtung und darf ihre Familie nicht anrufen. Katalin wird gezwungen, auch ohne Kondom mit ihren Freiern Sex zu haben. Ihr wird angedroht, dass ihrer Familie in Ungarn etwas angetan wird, wenn sie sich weigert. Sie ist weit weg von ihren Kindern und kann sie nicht einmal finanziell unterstützen. Sie ist verzweifelt…

Nach einigen Monaten wird Katalin krank. Ein Freier merkt es und verweist sie an eine Opferhilfestelle. Katalin wird medizinisch versorgt, bekommt psychologische und rechtliche Unterstützung sowie eine sichere Unterkunft, in der sie sich erholen und über ihre Zukunft nachdenken kann. Sie entscheidet sich freiwillig, nach Ungarn zu ihrer Familie zurückzukehren. Mit der Rückkehrhilfe finanziert sie eine Computerausbildung und findet nach einiger Zeit eine Stelle in einem Unternehmen.
 

 

Histoires concrètes - Nina et Luca

Nina (15 jährig) hat gerade die Schule gewechselt. Sie hat Stress mit den Eltern und verbringt zunehmend Zeit in Chatrooms. Dort lernt sie Luca (18) kennen, der sich als ihr Traumprinz ausgibt. Nina verliebt sich unsterblich. Sie beginnt eine Beziehung zu Luca und verbringt ihre Zeit nur noch mit ihm. Wenige Wochen später verkauft Luca sie an den ersten Freier in einem Hotelzimmer. Nina ist in eine Falle gegangen, aus der sie alleine kaum wieder herauskommt. Sie schämt sich und weiss nicht, was sie tun kann, denn Luca droht, dass er pornographische Filme von ihr online stellt, wenn sie nicht macht, was er will.